Grade geht die Blütezeit der Kanadischen Goldrute (Solidago canadensis) zu Ende, also warte ich nicht länger mit einem kleinen Loblied auf das attraktive Gewächs, das an mehreren Stellen unseren „wilden Garten“ ziert. Als „invasiver Neophyt“ hat die im 17. Jahrhundert als Zierpflanze aus Nordamerika eingeführte Pflanze bei so manchen Naturfreunden einen schlechten Ruf: Sie soll die Artenvielfalt gefährden, weil sich sich als Pionierpflanze mit unzähligen Samen überallhin ausbreitet und dabei heimische Arten verdränge.
In unseren beiden Gartenparzellen hat sich allerdings noch nie eine heimische Goldrute eingefunden, wohl aber die Kanadische, die als recht verbreitungswilliger Sommerblüher den August mit ihren gelben Blütenrispen farblich bereichert. Wir haben sie durchaus begrüßt, denn mit Pflanzen, die hierzulande selbstständig gedeihen, haben wir viel bessere Erfahrungen als mit vielen Kulturstauden, die man ewig päppeln muss.
Was nicht grundsätzlich gut mit sandigem, häufig trockenem und deshalb eher nährstoffarmem Boden auskommt, brauchen wir gar nicht erst anpflanzen! Es macht nämlich schon Arbeit genug, den Gemüsepflanzen durch bessere Erde, Kompost, regelmäßiges Gießen und sporadisches Düngen das Gedeihen zu ermöglichen, klassische „Zierbeete“ sind deshalb eher nicht unser Ding. Sonnenbraut, Grasnelken, Sandgraukresse, Königskerze, Nachtkerze, Natternkopf, viele mehr und eben auch die Kanadische Goldrute schaffen es gut, mit sich allein zurecht zu kommen.
In der Schweiz verboten, bei Insekten beliebt
In Sachen Bekämpfung von „invasiven Neophyten“ ist die Schweiz besonders radikal und hat die Kanadische Goldrute einfach verboten: „Jeglicher Umgang, die Kultivierung, das Verschenken, aber auch die Anwendung als Heilpflanze ist strikt verboten, ausgenommen sind Massnahmen, die der Bekämpfung und Ausrottung dieser alten Heilpflanze dienen.“ Zum Glück ist es bei uns nie dazu gekommen, doch wird immer mal wieder undifferenziert gewarnt, wie etwas auf naturadb.de:
„Kanadische Goldrute ist eine invasive Art und schädigt die Natur, indem sie die Artenvielfalt bedroht. Pflanze im Zweifelsfall lieber heimische Pflanzen. Unsere Insekten und Tiere sind auf sie angewiesen.“
Mit Verlaub, das ist in dieser Verkürzung kompletter Schwachsinn! Wer auch nur wenige Minuten ein Vorkommen der Kanadischen Goldrute beobachtet, wird feststellen, dass sie beim vielerlei Insekten sehr beliebt ist:
Schließlich sind es doch die Insekten, bei denen wir 80% Verluste zu beklagen haben, mit allen bösen Folgen wie z.B. Nahrungsmangel für Vögel und andere Insektenfresser, die dadurch auch dezimiert werden.
Es mag sein, dass dort, wo Kanadischen Goldruten tatsächlich mal auf die heimische Art treffen, sie diese verdrängen. Aber was wiegt denn bittschön dieser partielle Verlust gegenüber dem Verschwinden der unzähligen Insekten (80 Prozent!), die in unseren Landschaften nicht mehr genug Nahrungspflanzen finden?
Die Insekten auf den Fotos sind sicher nicht die Meistgeliebten, insbesondere die Goldfliege (Lucilia sericata, Grüne Schmeißfliege) – mit ihrem Metallic-Look eigentlich wunderschön! – wird wegen ihrer sonstigen Nahrungsquellen nicht gerade geschätzt. Da ergeht es ihr wie den Müllwerkern, die ebenfalls kein hohes gesellschaftliches Ansehen genießen, aber unverzichtbar, ja SYSTEMRELEVANT sind! :-) Wir sind eben noch immer gewohnt, Insekten, Tiere und Pflanzen nur nach Nutzen und möglichen Gefahren für uns Menschen zu beurteilen, nicht nach ihrem Stellenwert im gesamten Netzwerk Erde – ein großer Fehler!
Nun, auch die klassischen Bienen, die sich größter Solidarität erfreuen, sammeln Pollen auf der Kanadischen Goldrute:
Momentan sind die Kanadischen Goldruten am Verblühen – ein guter Zeitpunkt, um die Blütenstände abzubrechen, bevor die Samen reif sind und ausgestreut werden. Das machen wir, damit sich niemand beschweren kann, wir würden mutwillig zur möglicherweise unerwünschten Verbreitung beitragen. Und wenn wir sie weiter eindämmen oder von bestimmten Stellen entfernen wollen, ist das auch kein großes Problem: Kanadische Goldruten bilden einen klar erkennbaren dicken Wurzelfilz, der sich mit dem Spaten gut herausheben lässt.
Frische Triebe lassen sich im Frühjahr noch kinderleicht herausziehen. Im Vergleich mit Hopfen, wilden Brombeeren und Hartriegel ist der „Verbreitungsdruck“ der Goldrute übrigens marginal! Ich würde sie heute nicht mal mehr zu den wirklich dominanten Pflanzen zählen, ganz anders als noch 2011, während der dritten Saison in diesem Garten.
Siehe auch:
- Die Goldrute als wertvolle Gartenpflanze – Ein Lob auf die fast verbotenen Goldruten
Alle Wissenswerte, sehr ausführlich! - Unterschätzte Tiere: Warum man Fliegen lieben muss (Podcast DLFKultur)
„Wie Sie gerade sehen, sind sie auch Bestäuber. Man kann sie also nicht abschreiben. Ihre Lebensweise ist einfach beeindruckend. Sie können ihre Eier in kleinste Spalten legen und sich so ganz unterschiedliche Nischen erschließen. Die Erwachsenen sind überwältigend schön. Dieses Metallic! Und sie können vergammelnde Kadaver aus bis zu zehn Kilometer erschnüffeln.“
4. Oktober 2023 um 17:02
Es ist erfreulich zu sehen, dass die Schweiz Maßnahmen gegen invasive Neophyten ergreift, um die heimische Artenvielfalt zu schützen. Tatsächlich habe ich in meinem eigenen Garten aber beobachtet, wie die Kanadische Goldrute eine wichtige Nahrungsquelle für viele Insekten darstellt. Ihre gelben Blüten locken Bienen, Schmetterlinge und andere Bestäuber an, was für ein gesundes Ökosystem von großer Bedeutung ist.
Vielleicht sollten wir uns vermehrt darauf konzentrieren, die Ausbreitung der Kanadischen Goldrute zu kontrollieren, anstatt sie komplett zu verbieten. So könnten wir sicherstellen, dass sie in bestimmten Bereichen weiterhin als Nahrungsquelle für Insekten und Bestäuber dienen kann, während wir gleichzeitig die Auswirkungen auf die einheimische Flora und Fauna minimieren. Ein ausgewogener Ansatz ist wichtig, der sowohl den Schutz der heimischen Artenvielfalt als auch die Bedürfnisse der Insekten berücksichtigt.