Hier erstmal zwei eindrückliche Fotos aus unserem Garten – mit Blick auf die Katastrophe beim Nachbarn:
VORHER:
JETZT:
Dass dies nun auch noch ungewöhnlich schnell passierte, ist durchaus bemerkenswert. Der Nachbar (der diese Fäll-Arbeit per Auflage bei der Garten-Übernahme aufgedrückt bekam) hat nämlich zwischenzeitlich ein Schreiben des Bezirksverbandes erhalten. Darin wurde ihm in Aussicht gestellt, seinen neuen Garten wieder abgeben zu müssen, sollte er die Fichten nicht fällen. Natürlich mit dem Ausdruck des Bedauerns und dem Verweis auf die Politik, die allein an alledem Schuld sei.
Eiliger Vollzug, den angeblich keiner will
So ein Vorgehen gegenüber Neu-Pächtern ist eigentlich NICHT üblich. Normalerweise hat man nach der Übernahme ein Jahr Zeit, die Auflagen umzusetzen. Dann wird im Zuge der allgemeinen jährlichen Begehung geschaut, ob alles durchgeführt ist. Wenn nicht, bekommt man ein Schreiben, in dem nochmal drin steht, was fehlt und noch getan werden muss. Alles ganz entspannt also – normalerweise.
Warum hier die Eile? Angeblich WOLLTE JA NIEMAND (außer den Politikern da oben) diese Fällung, man MUSSTE das so tun und KONNTE NICHT ANDERS. Stimmt das?
Unserer Meinung nach nicht. Wir können aus unserem Schriftwechsel mit dem Bezirksverband in Detail aufzeigen, dass der Verband hier Handlungsspielräume hatte. Und bezüglich aller anderen Waldbäume in ählicher Situation auch noch hat. Aber dazu dann im nächsten Beitrag an dieser Stelle.
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Zur Vorgeschichte lies:
17.Juli: Kahlschlag droht: Zwei große alte Fichten sollen weg!
13. August: Baumsprechstunde: Schreiben Sie uns doch einen Brief!
13. Oktober: Kahlschlag in der KGA am E-Werk: Erste Fichte gefällt
21. Oktober 2010 um 21:05
da fehlen einem wirklich die Worte!
22. Oktober 2010 um 09:06
sehe ich es richtig, dass direkt darüber Hochspannungsleitungen sind!!
es geht davon eine große Gefahr aus,
nicht erst wenn die Bäume die Leitungen berühren, bei hoher Luftfeuchtigkeit / Eis können auch schon Spannungen entstehen
ich hätte da keine ruhige Minute, wenn ich da in der Nähe gärtnern müßte, sondern wäre im Gegenteil froh, wenn gehandelt wird
im übrigen wäre dies auch nicht meine erst Wahl so unter Stromleitungen einen Garten zu haben
wir haben hier zwei neue Wohngebiete, die nur sehr zögerlich bebaut werden, da dort auch Hochspannungsleitungen sind
herzliche Grüße Frauke
22. Oktober 2010 um 10:32
@Frauke: keine Sorge! Die DigiCam verplattet die Entfernungen drastisch. Die Bäume waren ja deshalb schon am Gipfel beschnitten und es waren noch etliche Meter bis zu den Leitungen. Da sorgt schon die Stromfirma dafür, dass Bäume im ungefährlichen Bereich bleiben.
Und: seit Jahrzehnten gärtnern hier und anderswo Menschen unter Leitungen. Sie und auch die Pflanzen (!) sind gesund und munter.
22. Oktober 2010 um 10:35
Liebe Gartenfreunde:
vielleicht sagen unsere „fehlenden Worte“ das folgenden Gedicht von Friedrich Hölderlin:
http://www.textlog.de/17777.html
Liebe Grüße
Manfred
22. Oktober 2010 um 10:40
Ein Desaster! Echt krass!
Bestätigt meine Vorurteile über Kleingartenvereine: Unsinnige Vorschriften durchsetzen, nicht etwa mal dagegen kämpfen, wenn das total blödsinnig ist!
23. Oktober 2010 um 19:48
Liebe Claudia, lieber Matt, ich kann Eure Trauer gut verstehen. Ich habe das gleiche Drama am Ende meiner Straße in der dortigen Anlage erlebt. Und da waren die Fichten zudem noch wunderschön bis auf 10 Meter Höhe mit einer alten, weissen Clematis wie mit Sternen berankt. Es war ein fantastischer Hintergrund für die Gärtchen – und dann war da ein Loch, und ich mächtig wütend.
Seitdem habe ich jedoch viel über das Kleingartenwesen gelesen und gelernt. Und ich kann nun sogar nachvollziehen, weshalb die Verbände immer wieder so rigide vorgehen. Das hat meist juristische Gründe – und ich habe als totaler Laie lange gebraucht, da durch zu steigen. Weil Ihr ja offenbar auch im Dunklen tappt, erlaube ich mir mal doch einen Erklärungsversuch zu starten – auch wenn ich freilich darum weiß, dass hier im Blog ausführliche Postings nicht üblich sind. Wer sich mit nun einmal komplexen Hintergründen nicht befassen mag, kann ja scrollen ;-)
Mir als Kleingärtnerin jedenfalls war es wie Euch ein Anliegen zu kapieren, was da in unserem Verband und den Vereinen passiert – und warum. Und da stieß ich auf den Umstand, dass es immer mehr Immobilienhaie gibt, die sich das Gartenland unter den Nagel reißen wollen – und immer mehr klamme Städte, die gerne ihre Kassenlöcher stopfen, und auf ein paar Kleingärtner-Stimmen bei der nächsten Wahl gut verzichten können. Berlin gehört auch zu diesen Städten. Fast immer wehren sich die Vereine auch vor Gericht – und ein solcher Fall ging bis zum Bundesgerichtshof.
Es ging um eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg vom 11.01.2001 – die vom Bundesgerichtshof am 31.01.2002 bestätigt wurde. Dieser Fall ist deshalb so entscheidend, weil hier sehr viele strittige Fragen aus dem doch recht vage gehaltenen Bundeskleingartengesetz höchstgerichtlich detailliert geklärt wurden. Und seither muss und darf (!) jeder Verein in Deutschland damit rechnen, dass dieses Urteil auch in seinen strittigen Fällen zur Grundlage gelegt wird. Alle Anwälte in diesem Bereich kennen das Naumburg-Urteil.
So jedenfalls habe ich das verstanden. Wenn nun also ein Immobilienhai bei Euch einen Reibach machen will, und mit Eurer bankrotten Stadt einen schönen Deal aushandelt, hat Euer Verein vor Gericht ganz schlechte Karten. Denn dann kommt das Naumburg-Urteil ins Spiel. Darin kommt das OLG zu folgendem Schluss: „Durch die Verwendung des Wortes “insbesondere” in § 1 Abs. 1 Nr. 1 BKleingG wird die Bepflanzung von Gartenflächen mit Zierbäumen, Sträuchern und Rasen nicht ausgeschlossen. Lediglich Waldbäume und andere hochstämmige Bäume werden von der kleingärtnerischen Nutzung nicht mehr umfaßt.“ (7 U 132/99 OLG Naumburg)
Und ohne kleingärtnerische Nutzung keinerlei Schutz vor feindlichen Übernahmen! Denn das Bundeskleingartengesetz gilt nur in Kleingärten. Und Kleingärten sind nur dort, wo es „insbesondere“ kleingärtnerische Nutzung gibt. Man sollte dieses Gesetz nicht vorschnell mies machen: Ohne hätten wir keine Rechtssicherheit und unsere Gärten wären um Welten teurer – zumindest hier bei uns im Ruhrgebiet für viele unbezahlbar. Auch für mich. Das Bundeskleingartengesetz wurde 1983 von unseren Volksvertretern beschlossen und ist quasi ein Grundrecht auf Gärtnern – für ein kapitalistisches Land erstaunlich. Ich habe den Eindruck bekommen, dass man an dieser sozialen (!) Errungenschaft nicht kratzen sollte.
„Lediglich Waldbäume… nicht“ – da beisst die Maus keinen Faden ab – auch wenn Ihr persönlich der Meinung seid und uns überzeugend aufzeigt, dass bei Euch trotz der Fichten alles prächtig gedeiht, wie es das Gesetz verlangt… Die Richter (und zuvor die Gutachter) kamen zu einem anderen Urteil, und wir müssen das respektieren. Da gibt es keinen Spielraum. Der Bundesgerichtshof ist die höchste Instanz – wer sollte Euch im Zweifel Recht geben? Eure Bäume sind freilich älter als das Gesetz, aber eine Schonfrist gibt es nur dort, wo es keine Kläger und wirtschaftlichen Interessen gibt. Das eben erfordert in den Kleingartenvereinen nun ein anderes Vorgehen als in den letzten Jahrzehnten. Überall, wo man viel lockerer war, als es der Ruf annehmen lässt, weht nun ein anderer Wind. Seit in jüngster Zeit immer mehr Unternehmen sich Kleingartenland mit an den Nadeln (sic!) herbei gezogenen Argumenten teils erfolgreich unter den Nagel rissen, geht die Furcht um.
In den meisten Vereinen wird daher die Übergabe von Parzellen genutzt, um den satzungsgemäßen Zustand herzustellen. Da werden nun landauf landab Gemüsebeete angemahnt, Lauben verkleinert, allerlei andere unzulässige Pächter-Bauwerke entfernt – und Bäume gefällt. In fast allen Satzungen ist jedoch definiert, dass dies der Altpächter zu leisten hat – oder der Aufwand wird von der Ablösesumme abgezogen. Aber Vorstandsleute sind selten so fair. Viel bequemer ist es nämlich, den Neupächter zu erpressen: Euch wurde das Tomatendach angedreht, und auch uns wurden Rodungen als Bedingung für den Gartenerwerb übertragen. Wir haben uns monatelang mit den Altlasten rumgeschlagen, weil es 10 Bäume in schwerstem Lehm waren – mit meterlangem und tiefem Wurzelwerk. Und wir sind Ökogärtner, wir machen alles ohne Maschineneinsatz. Die Vorständler behaupten zwar, sie verstünden unseren Zorn auf sie – aber sie haben nicht daraus gelernt.
Zurück zur Furcht, die im Kleingartenwesen vielerorts um sich greift: Es hat Opfer gegeben, und keiner will das nächste sein. Euer Verein und Verband gehen auf Nummer sicher, sie müssen Eure Anlage erhalten, das ist ihr satzungsgemäßer Auftrag, sie wollen sich nicht die Finger verbrennen – und im besten Falle wollen sie sogar Euch und Euren Besitz schützen. Aber dass sie zu blöd sind, Euch das verständlich zu machen, zeigt: Sie sitzen da alle nur, weil sie die Macht lieben, und nicht etwa, weil sie das Recht auf Gärtnern toll finden und sich dafür mit Verstand und Leidenschaft einsetzen. Dafür habe ich überhaupt kein Verständnis – und die arrogante Haltung der Verantwortlichen ist einfach nur widerlich.
Beim Kettensägen-Massaker wurde mehr abgeholzt als die Fichten. Es ist ja auch ein Einschlag in Eure eigentlich positive Beziehung zum Kleingartenwesen.
Lasst Euch Eure Gartenfreude nicht absägen, Ihr Lieben.
24. Oktober 2010 um 19:39
das Kurzhalten hätte sich doch eigentlich mit der deutschen Bürokratie vereinbaren lassen müssen! Komisch, dass man in diesem Fall gleich so schnell vorgegangen ist… Meine Eltern fällen auch hin und wieder Bäume in ihrem privaten Garten (der zu keiner Kleingartensiedlung gehört), aber das hat meistens einen gewissen Grund… Schade, die Fichten waren so schön gewachsen…
25. Oktober 2010 um 23:50
@Gretel: hab Dank für deinen wunderbar detailreichen und informativen Beitrag. Gerne hab ich hier auch lange Kommentare!! :-)
Dies alles ist uns durchaus bekannt, wir haben uns eingelesen seit wir die Parzellen übernommen haben. Und wir sind auch nicht totale Laien, was den Umgang mit Gesetzen und Verordnungen angeht (ich hab u.a. auch mal Jura studiert und war im Vorstand zweier Stadtteilvereine, mit viel Kontakt zu Politik, Verwaltung und zwangsläufig auch zum Immobiliensektor).
Dein Kommentar fasst die Grundlagen zusammen und bennent die Ängste, die die Vereine und Verbände bewegen mögen. Allerdings ist das nur der Rahmen, im Einzelfall ergeben sich Handlungsspielräume, die keinesfalls die „gärtnerische Nutzung“ (die sich ja nur auf ein Drittel der Fläche beziehen muss) antasten.
Mehr dazu in einem kommenden Beitrag. Ich bin auch überhaupt nicht gegen das Bundeskleingartengesetz, das allerdings auf neue Art mit Leben erfüllt werden müsste. Und die Verordnungsebene ist ja nochmal was anderes, da sitzen Leute zusammen, die vielleicht nie gegärtnert haben und beschließen, dass irgendwelche Bäume nun nicht mehr über 4 Meter wachsen dürfen – und im Jahr drauf, dass es nur noch 2,50 sein sollen. Und von einem Gefühl der Demut gegenüber einem alten Baum, den alle Technik der Menschen nicht wiederherstellen kann, wenn man ihn einmal abgesägt hat – davon haben die alle wohl nicht den Schimmer einer Ahnung!
Du meinst, die Politik könne auf die Stimmen von „ein paar Kleingärtnern“ verzichten? Es sind nicht nur ein paar, sondern sehr viele – noch dazu hängen da ganze Familien und Freundeskreise dran. Allerdings ist der Altersdurchschnitt (noch) sehr hoch und die meisten wollen einfach ihre Ruhe haben – und doch ließe sich da ganz gewiss mehr informieren und mobilisieren für Themen der Umwelt, der Stadtplanung, der Ausgestaltung der Verordnungen etc. – wenn man denn wollte.
Meine lange politische Erfahrung in diversen Kontexten der Stadtteilpolitik sagt auf jeden Fall: Brav sein bring nichts! Wer allzu devot gegenüber der Obrigkeit stets vorauseilend gehorsam agiert, der wird nicht etwa geschohnt, wenn andere Interessen erstarken, sondern im Gegenteil als „unproblematische Verhandlungsmasse“ angesehen!
Na, ein weites Feld – aber dafür hat dieses Blog ja jetzt eine eigene Rubrik „Kleingarten-Politik“.
27. Oktober 2010 um 01:34
Also Claudia, nicht dass wir uns missverstehen: Ich bin ja gewiss nicht gegen das Rebellieren! Allerdings können „die da oben“ leider auf den Gartenfreund an sich bauen – denn ja, der will seine Ruhe haben – vor allem von der Politik! Hättet Ihr mit 20 Gartenfreunden in der Baumsprechstunde auflaufen können, so hätte der Ignorant sich Eurem Anliegen schon etwas anders widmen müssen. Aber Gartenfreunde sind halt keine Stuttgarter Bürgerliche ;-)
Dass Du juristisch bewandert bist, ist sicher hilfreich. Dann kennst Du bestimmt auch die herrliche Argumentatio des Umweltamtes Bad Doberan zu Waldbäumen im Kleingarten. Theoretisch geht das demnach alles gar nicht, was da bei Euch abgelaufen ist. Aber was hilft die Theorie gegen Furcht und Ignoranz?
Doch will ich nun erst mal Eure weiteren Ausführungen abwarten.
Hoffentlich konntet Ihr Stämme und Reisig vor dem Abtransport bewahren? Nicht nur, weil ich natürlich finde, dass nichts Organisches außer Gemüse und Obst und nackten Schnecken aus den Parzellen entfernt werden sollte. Sondern weil so ein Stamm wenigstens als Insektenhotel und Bank ein zweites Leben verdient hätte – und zwar bei seinen FürsprecherInnen ;-)
27. Oktober 2010 um 11:08
Einen Haufen Reisig haben wir im Hinterland aufgeschichtet – falls wir noch was abdecken wollen und als evtl. Winterquartier für Kleintiere.
Bad Doberans Umweltamt-Argument kenn ich nicht, kann aber danach forschen (evtl. hast du eine Quelle?). Der Juristerei nicht ferne zu stehen, heißt ja nicht, in einer neuen Sachfrage schon alles zu kennen, was dazu jemals verlautbart wurde! :-)
Dass wir nicht versucht haben, „zu zwanzigst“ beim Verband aufzulaufen, lag (abgesehen davon, dass wir keine BI starten, sondern 2 Bäume retten wollten) den Verband nicht als Gegner ansahen – und noch immer nicht ansehen. Die glauben wirklich, sie müssten vorgehen wie sie es machen…
28. Oktober 2010 um 02:13
Der Link ist unter den ersten bei der Suche nach „waldbäume kleingarten“ – daher meine Vermutung. Aber Freude hat man sicher nur daran, wenn man nicht zum ersten Mal juristisch liest ;-)
(Link leider tot)