[Gastbeitrag]
Der Garten tut uns Menschen gut. Das wissen alle Gärtnerinnen und Gärtner intuitiv. Doch wie weit das gesundheitsfördernde Potenzial des Gartens geht, belegt jetzt die Wissenschaft. Die Recherchen zu meinem neuen Buch „Der Biophilia-Effekt — Heilung aus dem Wald“ haben meinen Zugang zu meinem Garten noch weiter vertieft. Dies ist ein Plädoyer für die Gestaltung von Gärten nach dem Vorbild des Waldes, der wilden Natur, exklusiv verfasst für Das Wilde Gartenblog.
Der Wald als Vorbild für heilende Gärten
Dank der modernen Forschung wissen wir, dass der Wald ein Ort der regen Kommunikation ist. Bäume, Sträucher und andere Pflanzen tauschen Information untereinander aus, zum Beispiel über Schädlinge, die im Anmarsch sind. Die Pflanzen, die diese Botschaften empfangen, aktivieren dann ihr Immunsystem. Sie warnen sich gegenseitig und kommunizieren sogar mit Nützlingen, um diese gegen Angreifer zur Hilfe zu rufen. Dazu benutzen sie „Pflanzenvokabeln“, das sind chemische Moleküle aus der Gruppe der Terpene. Waldluft ist voll damit.
Aus der Neuro-Immunologie wissen wir, dass auch unser Immunsystem ein kommunikationsfähiges Sinnessystem darstellt. Es ist wie eine organische Antenne, welche die Pflanzenfunksprüche im Wald auffängt. Unser Immunsystem reagiert darauf sogar auf ähnliche Weise wie die Pflanzen selbst. Kommen wir mit den gasförmigen Terpenen in Kontakt, steigen nachweislich die Anzahl und die Aktivität der natürlichen Killerzellen. Das sind Immunzellen, die Viren aus dem Körper entfernen sowie potenzielle Krebszellen töten. Auch Tumore werden von den Killerzellen bekämpft. Schon ein ausgedehnter Waldspaziergang vermehrt die Killerzellen um etwa 50 Prozent und macht sie aktiver. Zwei Tage in einem Wald führen sogar zu einer fast 70-prozentigen Steigerung. Das haben Waldmediziner einer medizinischen Universität in Tokyo herausgefunden. In Japan ist die Waldmedizin bereits durch das staatliche Gesundheitswesen anerkannt.
Auch die drei wichtigsten Anti-Krebs-Proteine, mit denen unser Immunsystem Krebszellen vergiftet, werden durch Waldluft gestärkt. Aber das ist noch nicht alles: Die Terpene in der Waldluft führen dazu, dass die Nebennierenrinde mehr von dem Herzschutzhormon DHEA produziert, das uns vor der koronaren Herzkrankheit und vor Gefäßverkalkung schützt. Bei Diabetes-Patienten ist sogar eine Senkung des Blutzuckerspiegels nachweisbar, um ein paar Beispiele aus der Waldmedizin zu nennen.
Grund genug, habe ich mir gedacht, meinen Garten zu einer Art „Wald vor der Haustüre“ zu machen.
Heilende Gärten sind wilde Gärten
Nein, der ständig kurz gehaltene, von Kräutern befreite und sterile Rasen mit dem Mähroboter ist es nicht, der den heilsamen Biophilia-Effekt des Waldes in den Garten bringt. Wer die medizinischen und psychologischen Aspekte der Natur zuhause kultivieren will, braucht Mut zur Wildheit und ist gut beraten, sich an den Wäldern ein Beispiel zu nehmen. Bäume von unterschiedlicher Höhe braucht ein heilender Waldgarten ebenso wie Sträucher und eine Krautschicht. Beerenpflanzen stehen nicht in Reih und Glied, sondern wachsen – wie im Wald – zwischen den Bäumen und ranken an ihnen empor. Himbeeren und Brombeeren, Cranberries und Blaubeeren, kommen ohne weiteres sogar im Schatten unter den Bäumen klar und enthalten eine Vielzahl an Inhaltsstoffen, die antioxidativ wirken und somit vor Krebs schützen.
Dass wir antikanzerogene Pflanzenstoffe auch einatmen können – in Form der Terpene aus der Pflanzenkommunikation – ist eine Erkenntnis der modernen Waldmedizin. Bäume geben besonders viel davon ab und Nadelbäume wie Zeder, Kiefer, Fichte und Tanne haben dabei die Nase vorn. Wer wenig Platz hat, pflanzt einfach Zwergsorten. Auch Obstbäume gibt es als platzsparende Säulenbäume, die in jeden Vorgarten passen. Ein Mini-Waldgarten ist besser als keiner.
Legen Sie eigene, sonnige Bereiche für die Gemüse- und Kräuterbeete an – und für sich selbst, denn Sonnenlicht tut uns psychisch gut, indem es die Ausschüttung des Glückshormons Serotonin fördert. Auf der körperlichen Ebene fördert es die Bildung von Vitamin D. Dass Waldgärten nie so dicht sein werden wie ein „echter“ Wald, kommt unseren archaischen Gehirnanteilen zugute.
Wilde Gärten schützen vor Burnout
Lichte Baumbestände lassen das Reptiliengehirn und das limbische System, unsere unbewussten Alarmsysteme, auf Entspannen schalten. Flucht- und Kampf-Impulse werden herunter gefahren. Das senkt, wie Forscher messen konnten, die Stresshormone im Blut und hilft Burnout-Patienten ebenso wie Menschen mit ADHS, innere Unruhe abzubauen. Der Parasympathikus, das ist der Nerv der Ruhe, wird aktiviert und Panikattacken treten in lichten Baumbeständen weniger häufig auf als in der Stadt.
Der Waldgarten – ein lichter Baumbestand – ist der ideale erweiterte Lebensraum für den Menschen.
Abstand von der Gesellschaft – Mitten im Garten
Die international einflussreichen Umweltpsychologen Rachel und Steven Kaplan haben belegt, dass wir in naturnahen, wilden Gärten viel besser Abstand von Problemen gewinnen können als in sterilen Gärten. Sie nennen diese Dienstleistung der Natur „Being-away“ – also „Weg-sein“: Abstand von der belastenden Arbeit, von sozialen Störfaktoren – ein Waldgarten bietet uns Rückzug, ohne dass wir dazu weit gehen müssten.
Alleine schon der Gartenblick hilft. In den 1980er-Jahren gelang der erste Beweis für den Biophilia-Effekt. Roger Ulrich, ein schwedischer Professor für Medizinwissenschaft, veröffentliche in SCIENCE den unbestrittenen Nachweis, dass alleine der Ausblick durch ein Krankenhausfenster auf Bäume dazu führt, dass Patienten nach Operationen eine schnellere Wundheilung erfuhren, signifikant weniger Schmerzmittel benötigten und auch schwächere, und dass sogar die postoperativen Komplikationen geringer waren als bei der Vergleichsgruppe, die nur auf eine Hausmauer blicken konnte. Also pflanzen Sie Bäume vor Ihrem Fenster – in ihrem Waldgarten.
Mehr über den Biophilia-Effekt
Das waren ein paar Beispiele, wie wilde Gärten und die Natur uns vor Krankheit schützen und Heilung fördern. Falls Sie, um mehr darüber zu erfahren, mein neues Buch „Der Biophilia-Effekt — Heilung aus dem Wald“ lesen, wünsche ich Ihnen, dass Sie dabei so viel staunen wie ich selbst beim Recherchieren und Schreiben. Seit diesem Buch gehe ich mit anderen Augen durch meinen wilden Garten.
Clemens G. Arvay, Biologe und Sachbuchautor
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Der Biophilia-Effekt – Heilung aus dem Wald
11. April 2015 – ISBN 978-3990011133
»Selten habe ich beim Lesen so viel gestaunt, gelernt und Freude empfunden wie bei diesem wundervollen Buch.«
(Dr. Ruediger Dahlke, Arzt und Autor)
Video-Trailer zum Buch »
Blick ins Buch bei AMAZON »
Artikel-Fotos:
Wald: @photobee – fotolia.com
4 x wilder Garten: @Claudia Klinger
Autorenfotos: @Lukas Beck
27. April 2015 um 22:15
Ein sehr interessanter Beitrag! Gerade gestern habe ich das Buch gekauft.
Wer ein wenig Gespür hat für die Natur, für den eigenen Körper und die Seele, der weiß um die heilenden und wohltuenden Kräfte des Waldes. Aber es ist sicher sehr spannend, das auch einmal wissenschaftlich zu ergründen.
Wir wohnen ja direkt am Nationalpark Donauauen und haben den Wald vor der Haustür. Trotzdem war es mir wichtig, auch im Garten ein Stück „Wald“ zu haben, eine Ecke mit großen Bäumen, Sträuchern, wo sich das Licht bricht und man zur Ruhe kommen kann.
Ich bin schon sehr neugierig auf das Buch!
Liebe Grüße, Margit
28. April 2015 um 00:15
Interessant finde ich die Theorie über die “Pflanzenvokabeln”, das mit den Terpenen klingt durchaus nachvollziehbar. Vor einigen Jahren habe ich noch gelacht, als ich gelesen habe, dass es gesund sei ein Baum zu umarmen. Aber so langsam denke ich es steckt doch mehr dahinter als man denkt =)
Pingback: Lustgespinst
28. April 2015 um 19:02
Ein interessanter Beitrag, danke. Und irgendwo in unseren vielen Bücherregalen muss es ein Buch geben mit dem Titel „Heilende Gärten“, das ich mir bestimmt vor über 20 Jahren mal gekauft habe. Das hat mich damals schon fasziniert. Ich muss mich direkt mal auf die Suche machen.
LG – Elke
9. Mai 2015 um 10:15
Danke für den tollen informativen Beitrag!
In der Natur steckt ein immenses Potential zum Heilen, dass man im Allgemeinen vielleicht eher mit Heilpflanzen in Verbindung bringt. Der Wald hat einiges zu bieten und ist ein Ort der Ruhe, an dem man prima sie Seele baumeln lassen und wieder Kraft für den Alltag tanken kann.
Der Wald schenkt Freude und ist Ort der Entspannung zugleich und wirkt sicherlich alleine schon aus diesem Grund positiv auf die Gesundheit.
Vielleicht ist mein Beitrag für andere interessant:
http://maria-herzger.eu/der-wald-schuetzenswerter-lebensraum/
Das Buch werde ich gerne auf meine Wunschliste setzen.
Viele Grüße
Maria
9. Mai 2015 um 12:08
Toller Beitrag – ich habe vor kurzem auch das Buch entdeckt und darüber geschrieben. Lustiger Weise habe ich letzte Woche bei uns an der Klinik, an der ich arbeite eine ganz alte Postkarte gefunden (sie hat hinter einer Glasscheibe auf einer Pinnwand überlebt), auf der ein „Heiler Wald“ gepriesen wird. Ich werde das Gedicht bei Gelegenheit fotografieren. Aus diesem Erkenntnissen kann man auf jeden Fall mehr machen…
Viel Freude weiter beim Gärtnern und Schreiben darüber.
11. Mai 2015 um 13:24
Hallo,
ich habe den Artikel mit Spannung gelesen. Ich sehe meine Garten schon als kleines Paradies an und würde ihn gerne noch ein wenige wilder wachsen lassen. Aber beim Reihenhausgarten ist das nicht so einfach!
Gruß Marion
23. März 2017 um 16:08
Sehr informativer Beitrag, insbesondere den heilsamen Biophilia-Effekt kannte ich in der Form noch nicht. Meine Mutter benutzt bspw. Heilkräuter ausschließlich, um Krankheiten zu heilen oder Symptome zu lindern. Aber Sie haben ja hier erwähnt, dass es auch prophylaktisch Vorteile mit sich bringt – interessanter Ansatz! Danke für den tollen Beitrag!
Pingback: Der richtige Weg – alkohol-frei-victorymeetssurrender
11. Juni 2017 um 19:33
Sehr schöner Beitrag! Interessiere mich sehr für den Biophilla-Effekt.
Gibt es das Buch auch als E-Book?
Viele Grüße
Flo