Tomaten-Geschichten: Ernte, eine Unbekannte und die Frage nach dem Gnadenbrot

Unsere Tomatenernte ist dieses Jahr insgesamt spärlicher, doch wie immer recht bunt:

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Der Teller auf dem Foto zeigt gelbe Flaschen, Black Cherrys, die Cocktailtomate Vesennij Mieurinskij, die wir der Einfachheit halber die „Russentomate“ nennen. Oben drauf eine Reisetomate mit ihren abtrennbaren Segmenten, die zwar spektakulär aussieht, aber geschmacklich nicht gerade hervorragt.

Wie man sieht, bevorzugen wir kleine Tomaten – und zwar deshalb, weil große Sorten bei uns zum Platzen neigen, sowohl draußen als auch im Gewächshaus, wo es eigentlich nie wirklich trocken wird. Seltsamerweise platzen nun auch die kleinen Früchte der Russentomate, nicht alle, aber einige. Schadet aber nicht weiter, denn die essen wir sowieso meist gleich auf.

Dass wir diesmal nicht so viele Tomaten ernten, verdankt sich der Entscheidung, einfach mal weitgehend aufs Ausgeizen zu verzichten. Hinzu kam der späte Auspflanzzeitpunkt, der für ihr Wachstum auch nicht optimal war. Die Phase des intensivsten Wachstums war dadurch recht kurz. Für zwei hat es dennoch gut gereicht, auch weil auf meinem Balkon ebenfalls acht Pflanzen standen, die ich auch jetzt noch beernte.

Gedächtnisflop und eine unbekannte Tomate

Nie hätte ich gedacht, dass ich mal nicht mehr weiß, welche Tomate ich da groß ziehe! Genau das aber ist passiert: Im Gewächshaus stehen jedes Jahr links vier Tomatenpflanzen und rechts drei. Die Anzuchttöpfe waren mit Namens-Aufklebern versehen und um da nichts zu vergessen, steckte ich diese Töpfchen nach Umpflanzen dann leer zu Füßen der jeweiligen Tomate so halb in die Erde. Außerdem erinnere ich mich, die Sorten „irgendwo“ aufgeschrieben zu haben.

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Wie es der Teufel will, ist der Anzuchttopf der Tomate „vorne links“ verschwunden und ich finde auch nirgends eine Aufzeichnung. Auch der Artikel „Samen vorziehen 2014“ gibt über diese Fleischtomaten-artige Sorte keine Auskunft. Ich muss sie wohl noch irgendwo dazu gekauft haben – es bleibt ein Rätsel! Da sie aber gut schmeckt und für unsere Verhältnisse relativ große, nicht platzende Früchte trägt, werden wir Samen nehmen und sie auch nächstes Jahr wieder anpflanzen.

Liebevoller Gedanke: Gnadenbrot für Tomaten

Zum Schluss noch eine etwas skurrile Idee: In der Süddeutschen schreibt Dr.Rainer Erlinger über die „Die Gewissensfrage – Sollte man eine verblühte Pflanze weiterhin pflegen, auch, wenn man weiß, dass sie den Winter nicht überleben wird? Er zitiert Karl H. aus München, der die Frage so auf den Punkt bringt:

»Jedes Jahr gieße ich die Tomatenpflanzen. Und jedes Jahr höre ich damit auf, wenn die letzte Tomate geerntet ist. Manche Pflanzen sind dann schon ziemlich marode, viele noch nicht und etliche dürften danach verdurstet sein. Sollte man ihnen eine Art ›Lebensabend‹ gönnen und sie noch für den Rest ihrer Tage gießen?«

Trotz der folgenden Überlegungen zur „Würde der Kreatur“ und „dass wir nicht nur Teil der Natur sind, sondern in, mit und von ihr leben und das Leben um uns herum nicht lediglich als selbstverständliche, beliebig ausbeutbare Ressource sehen sollten“ geht ihm die Idee der Weiterversorgung doch ein bisschen zu weit, wenn ihm auch Menschen, die ihre Pflanzen weiter gießen, symphatisch sind.

Was ist davon zu halten? Bei uns tritt das Problem kaum auf, da die meisten Tomaten schon „den Geist aufgeben“ bevor wir die letzte Frucht ernten, zumindest die im Freiland. Aber es bleibt natürlich Fakt: Wir ernten und bald darauf räumen wir die Pflanzen ab, egal ob noch etwas Leben in ihnen ist oder nicht.

Vielleicht ist das ja nur ein „Schönreden“, aber ich richte meine Sympathie bei Pflanzen nicht auf die einzelne Pflanze, sondern auf die Art. Wir pflanzen mehrheitlich alte Sorten und auch immer wieder andere Arten, die wir als solche wertschätzen. Ohne uns würden sie gar nicht erst bis zum Fruchten kommen, also empfinde ich das Sterben nach der Ernte als „natürlichen Tod“ der Pflanze, Ende eines Lebens, das wir überhaupt erst ermöglicht haben. Insgesamt unterstützen wir Artenvielfalt und freuen uns, wenn es wieder einmal gelungen ist, eine Wild- oder selbstaussamende Kulturpflanze in unserem Garten heimisch zu machen. Für Tomaten ist unser Klima nun mal nicht optimal, sonst würden auch sie ohne Pflege gedeihen.

Kurzum: beim Abräumen von Tomaten drückt mich kein schlechtes Gewissen. :-)

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Autor: ClaudiaBerlin

Claudia lebt und gärtnert in Berlin und bloggt seit 2005 rund ums naturnahe Gärtnern. Folge dem Blog auf Twitter.com/gartenzeilen - da gibts Lesetipps und allerlei Infos rund um unser tolles Hobby.

5 Kommentare

  1. Bei mir gab es in diesem Jahr Tomaten im Überfluss. Ich hatte einfach zu viel angebaut, so dass ich von Fleischtomaten irgendwie die Nase voll habe und im nächsten Jahr keine mehr anbaue. Ich hatte 14 Tomatenpflanzen. Im nächsten Jahr werde ich nur noch Cherrytomaten und normalgroße Tomaten anbauen.

    Verblühte Pflanzen weiter gießen? Das ist wirklich schon ein sehr skurriler Gedanke. :-D Warum sollte eine solche Pflanze den Platz für neues Leben wegnehmen!? Ich denke, das ist der ganz normale Kreislauf des Lebens. Mir fallen dazu noch weitere Gedanken ein, die ich aber lieber für mich behalte. ;-) Die Entrüstung ist bei manchem bei vermeintlich banalen Themen oft schnell künstlich groß. :-D

    Ich fahre jetzt in meinen Garten und werde mich um die verblühten Pflanzen kümmern. ;-)

  2. Die Fleischtomaten sehen wirklich lecker aus ;) Schade, dass du die Sorte nicht mehr weißt. Die würde ich auch nächstes Jahr wieder anbauen.

    PS: Habe mich auch schon dabei ertappt, verblühten Pflanzen das Leben zu verlängern. Allerdings sehe ich das mittlerweile auch so, dass ein Erblühen und Vergehen ganz normal ist. Da muss man den Sterbeprozess nicht noch verlängern.

  3. Na das hat mir ja keine Ruhe gelassen, und tataa!
    Es ist die Sorte mit dem bezeichnenden Namen:“Großfrüchtige Allerfrüheste Rote“
    http://www.tomaten-atlas.de/sorten/g/3236-grossfruechtige-allerfrueheste-rote

  4. Die Tomaten sehen ja wirklich super lecker aus. Sind das spezielle Züchtungen? (die sind schon farblich sehr intensiv)

  5. Pingback: Sunny Totensonntag | Gartenblog Wilde Möhre

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