EU-Saatgutverordnung: Samen- und Pflanzentausch demnächst strafbar?

Es bahnt sich Schlimmes an! Bitte weitersagen, bloggen, teilen, aktiv werden!

Tomate TigerellaLiebe Gartenfreunde, vielleicht habt Ihr in den letzten Tagen schon mitbekommen, dass die EU an einer drastischen Verschlimmbesserung der Saatgutverordnung bastelt. Der Drang zur Normierung sämtlicher Gemüse ist ungebrochen und nun soll es die alten und regionalen Sorten treffen!

Regelungswut zu Lasten der Vielfalt!

Die Europäische Kommission will den gesamten Saatgut-Markt in Europa neu regeln. Nurmehr amtlich zugelassenes Saatgut soll noch verkauft und in Umlauf gebracht werden dürfen. Bisher waren die in den letzten Jahren zunehmend beliebten alten und seltenen Saatgut-Sorten davon nicht betroffen. Sie durften auf konventionelle Weise gezüchtet und in Tauschwirtschaft zumeist in kleinen Mengen gehandelt werden. Geht es nach den Plänen der regelungswütigen Brüsseler Beamten, dürfen Bauern und Privatleute (also auch Kleingärtner!!!) in Zukunft ihre selbst gezüchteten Samen noch nicht einmal mehr untereinander verschenken. Wer dies dennoch tut, muss dann allen Ernstes mit empfindlichen Verwaltungsstrafen rechnen!

Zwingende Zulassungsverfahren: AUS für viele Sorten!

Man könnte meinen: warum nicht einfach alle Sorten fürs Zulassungsverfahren anmelden, also „legalisieren“ lassen? Tja, da liegt der Hund begraben, denn dieses Zulassungsverfahren können praktisch nur die Hochleistungssorten der Agrarkonzerne bestehen. Ein Sprecher der Erhalterorganisation ARCHE NOAH sagt dazu in einem Interview mit ikNEWS:

„Zunächst muss für jede Sorte eine Gebühr in Höhe von 1000,- bis 3000,- Euro bezahlt werden, dann jedoch kommt das eigentliche Prüfungsverfahren wo die meisten Sorten scheitern werden. Alles was dann zählt ist die Uni­for­mi­tät sprich Einheitlichkeit und die Produktivität, diese Kriterien erfüllt fast nur die Hochleistungssaat. Selbst etliche Hybridsamen die heute noch von Biobauern benutzt werden, würden das Verfahren nicht überstehen.“

Ein Schelm, wer dabei an massiven Lobbyismus durch Monsanto & Co. denkt! Alle Erhalterorganisationen und Bio-Gärtnereien, die sich um unser Samen-Erbe kümmern und viel Arbeit in die Erhaltung tausender Sorten stecken, können sich unmöglich solche Zulassungsverfahren leisten – mal abgesehen davon, dass viele Sorten an den Gleichförmigkeits-Voraussetzungen scheitern würden.

Antwort auf unsere Anfrage: Protest anmelden!

Wie Leser/innen dieses Blogs wissen, lieben wir als naturnahe Gärtner alte Sorten, sowohl Tomaten als auch anderen Gemüse, Salate und Obst (!). Und wir haben nicht die geringste Lust, künftig nirgends mehr solche Samen kaufen zu können oder gar eines Tages Kontrolleure in unserer KGA anzutreffen, die mal nach dem Rechten sehen! Auf IKNews formuliert ein Kommentar folgende Befürchtung:

„Die Kübelpflanzen auf den Balkonen werden sicherlich nicht kontrolliert werden, aber ich kann mir vorstellen, daß man sich Kleingartenanlagen vornehmen wird und sobald etwas Unvorschrftsmäßiges entdeckt wird, die gesamte Kleingartenanlage mit allen Pächern in Haftung genommen wird. Das kann zwar eine Flut von Klagen nach sich ziehen, aber bis diese entschieden sind, waren schon mehrfach Planierraupen in der Anlage unterwegs.“

Ob das nun weit hergeholt ist oder nicht: Wir fühlen uns von den schändlichen Plänen der EU direkt betroffen und haben deshalb z.B. den Erhalterverband VERN angeschrieben, um auch eine Stellungnahme aus unserem lokalen Umfeld zu bekommen. Es antwortete uns auf Bitten des VERN das Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg (LUGV) wie folgt:

„Tatsächlich wird aktuell an einer Reform des europäischen Saatgutrechts gearbeitet. Gerade die Akteure aus dem kleinteiligen Bereich, Initiativen und Vereine aber auch engagierte Fachleute sind über die derzeit diskutierten Entwürfe beunruhigt.

Zwar ist die EU auch an internationale Vorgaben und Gepflogenheiten (die den allgemeinen und freien Zugang zu genetischen Ressourcen regeln und fordern…) gehalten, aber durch Art und Form einer gesetzlichen Regulation kann sicher manches ad absurdum geführt werden.

Erst in den letzten Jahren hatte dieser Bereich durch sogenannte „Erhaltungssortenregelungen“ Erleichterung erfahren. Mit der geplanten Neuregelung soll zwar primär der „normale“ kommerzielle Saatgutsektor für Landwirtschaft und Erwerbsgartenbau geregelt werden, aber die Gefahr besteht, dass durch Übernahme nicht erforderlicher Restriktionen und Vorschriften dieser, auf freien Zugang sonst kaum nachgefragter Sorten und Varietäten beruhender Umgang, überwiegend nichtkommerziell, stark behindert wird. Sicherlich gibt es dafür auch eine einflussreiche Lobby, auch wenn ein ökonomischer Sinn dabei kaum erkennbar ist.

Grundsätzlich möchte ich Sie nur ermutigen mit Ihren Möglichkeiten dazu ebenfalls Protest anzumelden bzw. diese derzeit durchaus berechtigten Befürchtungen weiterzutragen. Die deutschen EU-Parlamentarier wären dazu sicherlich gute Adressen, auch die offizellen Stellen der Bundesregierung wie das Bundesverbraucherministerium.

Auch unsere Saatgutquellen Bingenheimer Saatgut und Bio-Saatgut.de haben wir gefragt. Auch sie sind besorgt über das, was sich da zusammen braut und bei Erfolg ein Schlag für die Sortenvielfalt in ganz Europa sein wird.

mKampagne Freiheit für die Vielfalt

Was tun?

Bei alledem stellt sich natürlich die Frage, was wir gegen das Mega-Vorhaben tun können. Hier ein paar Vorschläge:

  • Schon am 6.Mai wird der Entwurf dem EUROPA-Parlament vorgelegt. Es kann also nicht schaden, die jeweiligen Europa-Parlamentarier anzuschreiben. Entweder individuell, oder auch mittels Unterzeichnen des OFFENEN BRIEFS „Der Verlust der Saatgut-Vielfalt muss dringend gestoppt werden“.
  • Weiter könnt Ihr die Kampagne Freiheit für die Vielfalt des Umweltverbands GLOBAL 2000 und ARCHE NOAH mit Eurer Unterschrift unterstützen, die schon von vielen Verbänden, Organisationen und über 10.000 Einzelpersonen gezeichnet wurde (auch von uns, klar!)
  • Weitersagen, weitermelden, bloggen, twittern, damit möglichst viele Freundinnen und Freunde vielfältiger Sorten mitbekommen, was läuft! (Hier eine PDF-Version dieses Artikels zum ausdrucken und weiter geben – z.B. in den Briefkasten Eures Gartennachbarn?).
  • Wo bleiben die Kleingartenverbände? Sie repräsentieren immerhin 5 Millionen Kleingärtner in Deutschland, organisiert in Bundes-, Landes- und Bezirksverbänden. Hinzu kommen alle „freien“ Gärtner, die neue „Urban Gardening“-Bewegung und viele mehr. Sicher schadet es nicht, sie anzufragen, wie sie zu den Vorhaben stehen. Gartenfreunde sind Wähler, viele Wähler, auf die die Parteien nicht gerne verzichten!
  • Apropos Parteien: wer einer solchen besonders verbunden ist, kann natürlich auch dort mal versuchen, dem Thema Aufmerksamkeit zu verschaffen!

Wir werden weiter berichten, wie sich die Dinge entwickeln. Es darf nicht sein, dass wir alle eines Tages nurmehr die Einheitstomate anpflanzen, in ganz Europa garantiert gleich in Aussehen und Geschmack! Gerade die Vielfalt der „ungewöhnlichen“ Formen und Farben ist es ja, die viele motiviert, die „kleingärtnerische Nutzung“ als Lust und nicht als Last wahrzunehmen!

Sorgen wir dafür, dass das auch so bleibt!

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Autor: ClaudiaBerlin

Claudia lebt und gärtnert in Berlin und bloggt seit 2005 rund ums naturnahe Gärtnern. Folge dem Blog auf Twitter.com/gartenzeilen - da gibts Lesetipps und allerlei Infos rund um unser tolles Hobby.

13 Kommentare

  1. Tja, und die Konvention zur Biologischen Vielfalt hat als Ziel 13 sich vorgenommen:

    Target 13
    By 2020, the genetic diversity of cultivated plants and farmed and domesticated animals and of wild relatives, including other socio-economically as well as culturally valuable species, is maintained, and strategies have been developed and implemented for minimizing genetic erosion and safeguarding their genetic diversity.

    Also den ERHALT der gesamten Vielfalt der kultivierten Pflanzen (und Tiere, und deren Verwandten in „freier Wildbahn“)

    Ich bin zwar sicher, dass die sich der neuen EU-Richtlinien bewusst sind, werde aber trotzdem mal meine Fuehler ausstrecken.

    (und einen entsprechenden Blogeintrag schreiben)

    Gruss
    Connie

  2. PS: die gesamten Ziele der Konvention fuer 2020 finden sich hier
    http://www.cbd.int/sp/targets

    leider nur auf Englisch.

    C

  3. Pingback: Geplante EU-Saatgut-Verordnung: Gibt’s bald nur noch die EU-Normtomate? » Unverbissen vegetarisch

  4. Pingback: Sammelmappe » Blog Archive » So absurd

  5. Hi Claudia,

    ich kann deine Aufregung voll und ganz verstehen. Ich finde es eine Frechheit, was die EU da vorhat. Das kommt wieder nur den Großen zugute, nicht aber uns normalen (Hobby-) Gärtnern. Wir müssen wieder bluten.

    Allein die Vorstellung, dass dieser Gesetzesentwurf durch kommt, macht mich traurig. All die schönen alten Sorten, auf die müssten wir ganz plötzlich verzichten. Ich dachte, es gibt ein Programm zur Artenerhaltung und so. Scheint wohl nicht bei Pflanzen der Fall zu sein. Echt schade!

    Ich werds auf jeden Fall weiter sagen, sodass die Masse hoffentlich was ausrichten kann.

  6. Bin beim Prodest schon dabei auf meinem normalen wolligen Blog steht es schon. :-)
    Ich liebe meine Böhnchen und ihre vielfalt.
    Grüße aus der wolligen Ecke
    Frau Hollunder

  7. Die spinnen, die Brüsseler!

    Liebe Claudia, Danke für Deinen Beitrag, den ich soeben auch noch auf FB verlinkt und in meinen Blog kopiert habe. Mal sehen, was meine Gartenfreunde dazu sagen…

    Da frage ich mich, was noch als Nächstes kommt… Eine EU-Rosmarin-Nadellängenverordnung, es wäre dann nur noch ein Rosmarin zulässig, welcher Nadeln mit einer Länge von 20-25 mm hat. Oder eine EU-Geschmacksreinheitsverordnung, Kräuter wie Orangen- oder Zitronenthymian wären dann nur noch unter Strafe anbaubau, vom genuss ganz zu schweigen… naja und Schokominze gehört eh verboten.

  8. Nachfolgend eine aktuelle Pressemitteilung aus dem Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Schleswig-Holstein über die Stellungnahme von Landwirtschaftsminister Robert Habeck zum Saatgutrecht der EU:

    >> Landwirtschaft- und Umweltminister Robert Habeck hat sich heute (25. April 2013) in Kiel dafür ausgesprochen, die geplante Novelle des EU-Saatgutrechts an ihren Folgen für die Biodiversität und für die bäuerliche Landwirtschaft in Europa zu messen. Habeck warnte zugleich davor, dass die Landwirtschaft in größere Abhängigkeit von multinationalen Saatgutkonzernen geraten könnte. Mit Blick auf die Diskussion um die Novelle des EU-Saatgutrechts sagte Habeck: „Alte Obst- und Gemüsesorten sind ein wichtiger Beitrag zur Artenvielfalt und haben als „genetische Reserven“ auch eine wirtschaftliche Bedeutung. Die Europäische Kommission darf nicht dazu beitragen, dass der Saatgutmarkt sich weiter monopolisiert. Weltweit operierende Saatgutkonzerne dürfen nicht bestimmen, was in Schleswig-Holstein in den Gärten und auf den Feldern wächst.“ Die Europäische Kommission hatte nach Presseberichten klargestellt, dass die geplanten Regeln ausschließlich für professionelle Akteure, wie beispielsweise Landwirte oder Gartenbaubetriebe gelten sollen, die pflanzliches Saatgut erzeugen. Für Kleinstunternehmen kündigte die Kommission zudem Ausnahmen an. Der Entwurf der neuen Verordnung soll Anfang Mai vorgelegt werden. Habeck: „EU-Amtsschimmel haben im Kleingarten nichts zu suchen, wir werden genau darauf achten, dass hier keine neue Bürokratie zulasten unserer Betriebe in Landwirtschaft und Gartenbau ins Kraut schießt.“ <<
    Es stellt sich nun allerdings (mindestens) die Frage nach der Definition für "Kleinstunternehmen"…

  9. Schade das der Hobbygärtner für die EU-Ideen und damit auch das alte Samen-Gut, auf der Strecke bleiben. Warum einfach, wenn es kompliziert geht. Manchmal glaube ich das könnte in vielen Dingen das Neue „EU Motto“ sein.

  10. Ich sitze mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen vorm Bildschirm und lese diesen Artikel völlig fassungslos. Ein Glück, dass mein Stuhl eine stabile Rückenlehne hat. Ansonsten wäre ich vermutlich bereits von selbigem gefallen.

    Ein Glück, dass es mündige und engagierte Leute gibt wie hier in diesem Blog. Jede Initiative, die versucht, diesen Irrsinn zu stoppen, ist eine gute Initiative. Ich bin bei weiteren Recherchen zum Thema noch hierauf gestoßen und habe selbstverständlich umgehend meine Unterschrift geleistet: http://www.avaaz.org/de/monsanto_vs_mother_earth_loc

    Trotzdem sitze ich immer noch vorm Monitor und schüttel meinen Kopf apathisch hin und her…

    Grüße
    Ronald

  11. Pingback: Wochenrückschau: die größten Hämmer › Digital Diary - Vom Sinn des Lebens zum Buchstabenglück

  12. Also, hier bestraft zu werden ist ja wirklich ein Riesen-Sauerei. Die EU geht hier mit den angedrohten Verwaltungsstrafen mehr als einen Schritt zu weit!

  13. Pingback: Niederlage für Monsanto & Co: Geplante EU-Saatgutverordung vor dem Aus » Unverbissen vegetarisch

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