Goldrute, Sauerampfer, Nachtkerze, (Stauden-)Sonnenblumen, Beifuß – sie sind es vor allem, die in unserem Garten am liebsten alles Land für sich einnehmen würden, wenn wir sie denn ließen. Ihre immense Lebenskraft, ihre Robustheit und ihre Fähigkeiten, sogar Beton zu sprengen (Sauerampfer!) kann ich nur bewundern.
Weil ihre Power so raumgreifend ist und uns geradezu dazu zwingt, sie „im Zaum zu halten“, erlebe ich sie umso mehr als kraftvolle Wesenheiten bzw. „Gattungswesen“, mit denen wir uns in einem gestalterischen Dialog befinden: Sie sollen nicht verschwinden, aber auch nicht alles andere überwuchern. Und sie dürfen die Nachbarn nicht nerven, die (teilweise) die „Politik der kahlen Erde“ betreiben: deshalb halten wir Abstand und schneiden z.B. die Samenstände der Goldrute ab, bevor sie reif werden.
Der wesentliche Unterschied zwischen vielen traditionellen Garten-Stilen und dem „naturnahen“ Gärtnern ist für uns nicht allein der Verzicht auf chemische Dünger und Pflanzenschutzmittel oder das Anlegen eines Komposthaufens, sondern das gesamte Umgehen mit der Erde und dem, was auf ihr wächst.
Naturnah gärtnern ist interaktives Gärtnern
Wir versuchen nicht, erst einmal durchweg „Tabula rasa“ zu machen und dann auf leerem Grund neue Beete und Wege zu platzieren, um dort künftig die „erwünschten“ Kulturpflanzen gegen anfliegenden Samen zu verteidigen. Statt dessen schaut man, was schon da ist, bzw. beobachtet, was von selber kommt – und das wird dann selektiv gejähtet und mit Pflanzen ergänzt, die sich da ebenfalls wohl fühlen könnten.
Beete für Nutzpflanzen erfordern selbstverständlich auch im naturnahen Garten einer Vorbereitung wie etwa das Entfernen der vorhandenen Grasnarbe und einen gewissen Einsatz gegen „Überwucherung“. Allerdings steht dabei die Bodenverbesserung an oberster Stelle unseres gärtnerischen Bemühens, nicht der Durchsetzungswille, partout dort etwas zum Wachsen zu bringen, was nur mittels extremem „Päppeln“ funktionieren würde, wenn überhaupt.
Mit Hügelbeeten und Terra-Preta-Experimenten haben wir in den ersten zwei Jahren so schon viel Boden verbessert, der im vorderen Garten in einer eher „sandwüsten-artigen“ Verfassung war, wogegen im „Hinterland“ ungemein viel Beton früherer Bauten im Boden steckt und ansonsten alles von robusten Gräsern und eben jenen „Dominanten“ besiedelt war. So erfüllen wir mittlerweile auch das vorgeschriebene Drittel kleingärtnerische Nutzung – etwas, wozu man uns nicht erst motivieren muss, auch wenn die Optik gemulchter Beete nicht immer den ästhetischen Vorstellungen traditioneller Gartenfreunde entspricht.
Stammleser/innenen kennen das alles schon, doch fühl ich mich zu dieser Erläuterung immer neu motiviert, wenn es um vom üblichen Gärtnern stark abweichende Themen geht – wie etwa unseren Umgang mit den „Dominanten“.
Kein „Un-Kraut“, sondern Zier- und Gemüse-Pflanzen
Dass die Wurzeln der Nachtkerze essbar sind, hab‘ ich beim mühevollen Herausziehen derselben gemerkt: einfach mal rein gebissen – und ja, schmeckt mild und gar nicht uninteressant. Matt hat dann die Zubereitung als gekochtes Gemüse ausprobiert und fand das Ergebnis schmackhaft. Man muss sie allerdings im ersten Jahr, in ihrem Rosettenstadium ernten, später wird alles zu faserig und bitter.
Wikipedia schreibt zur „gemeinen Nachtkerze“:
Im Volksmund wird die Nachtkerze auch „Schinkenwurz“ genannt, denn ihre Wurzel verfärbt sich beim Garen rötlich. Ihre weite Verbreitung in Europa ist vor allem auf ihren im 18. Jahrhundert und 19. Jahrhundert häufigen Anbau als Gemüsepflanze zurückzuführen. Alte Sprichwörter behaupteten, dass ein Pfund der Nachtkerzenwurzel so viel Kraft gebe wie ein Zentner Ochsenfleisch. Die Gemeine Nachtkerze zählt deshalb bis heute zu den typischen Pflanzen des Bauerngartens, auch wenn sie heute nur noch als Zierpflanze angebaut wird.
Von der Gemeinen Nachtkerze sind neben der Wurzel auch die Blätter, die Blüten und die Samen essbar. Die Wurzel kochte man wie Schwarzwurzeln oder Pastinaken in Fleischbrühe. Die gekochten Wurzeln wurden gelegentlich auch in Scheiben geschnitten und mit Essig und Öl angemacht. Geerntet werden die rübenförmigen Wurzeln vom Herbst des ersten Jahres (Rosettenstadium) bis zum Frühjahr. Ähnlich wie andere alte Gemüsepflanzen ist auch die Gemeine Nachtkerze aus der Mode gekommen. In der modernen Küche werden die Blütenblätter jedoch gelegentlich als essbare Dekoration verwendet.
Die Nachtkerze stammt ursprünglich aus Nordamerika und wurde im 17.Jahrhundert als Zierpflanze eingeführt. Genau wie die Goldrute, die erst seit 100 Jahren bei uns heimisch ist und als Bienenweide geschätzt wurde. Anders als die Nachtkerze, die mit etlichen tiefen Pfahlwurzel fest im Boden sitzt, fängt die Goldrute eher harmlos an: Sie erscheint als leicht herausziehbare Staude, die ab einer gewissen Größe so attraktiv ist, dass ich sie ungern heraus reisse. Doch wenig später ist das plötzlich gar nicht mehr einfach: ein dichtes, unglaublich starkes Wurzelgestrüpp erfordert nun echte Arbeitseinsätze, will man sie etwa im Herbst noch entfernen.
Wie ich es dann neulich auch tat: Erst einen ganzen Schubkarren voll Staudensonnenblumen, die über ein ebenso militant wachsendes Wurzelgestrüpp verfügen:
Anschließend ging ich mit Matt durch den Garten und wir besprachen das Schicksal jeder einzelnen – durch unsere bisherigen Aktionen schon deutlich reduzierten und hübsch gruppierten Goldruten-Ansammlung. Ohne Spaten kommt man nun nicht mehr gegen sie an, doch empfinde ich solche, aus der spontanen Anschauung entstehende Arbeitseinsätze gar nicht als Arbeit. Es entspannt ungemein und danach fühl ich mich körperlich um Klassen besser als Stunden zuvor vor dem Monitor!
Auch wenn es nicht so aussehen mag: Naturnah gärtnern ist oft arbeitsintensiver als das gelegentliche Durchhacken der Beete im „Tabula-Rasa-Garten“. So werden wir als ursprünglich „faule“ Gärtner doch nach und nach von unserem Garten umerzogen – wobei insbesondere die dominanten Pflanzen uns zeigen, wo die Harke hängt! :-)
16. November 2011 um 13:36
Und mit dem Grün der zu großen Pflanzen kann man wunderbar kompostieren und mulchen
zeigt Euren Kleingärnternachbarn weiterhin mit der tollen Bodenverbesserung durch Permakultur und Mulch wo die Harke ist— im Schuppen darf sie sich ausruhen!
mir sind die ständig geharkten Gärten auch ein Graus, denn kahler Boden ist toter Boden!!!
Frauke
16. November 2011 um 16:36
„Gärtnern und gärtnern lassen“ ist da unsere Devise, liebe Frauke. Jede Gartentradition hat ja ihre Geschichte und durchaus achtenswerte Tradition. So entstanden die heute bekannten Kleingartenanlagen einst als „Armengärten“ und „Arbeitergärten“, gedacht zur Selbstversorgung. Was man wollte und brauchte war gerade nicht „naturnah“, sondern eher maximaler Ertrag. Klar, dass da jedes Wildkraut als Konkurrenz zur Nutzpflanze bekämpft wurde – mal abgesehen von ein paar Schnittblumen.
Die „nackte Erde“ ist überkommenes Relikt dieser Geschichte – sie verbindet sich heute allerdings noch oft mit dem Stil des „Hau-Ruck-Gärtnerns“. Dazu gibts nächstens dann einen eigenen Beitrag. :-)
Wie sind jedenfalls zufrieden, wenn man uns unseren Stil lässt (wir könnten gar nicht anders!) – und ebenso lassen wir den Nachbarn ihre Methoden, hegen also keine missionarischen Absichten.
16. November 2011 um 20:29
Hau-Ruck-Gärtner sind mir aus meinem Umfeld auch sehr gut bekannt :) Aber solche Artikel helfen ja den einen oder anderen zu bekehren… Weiter so!
17. November 2011 um 08:02
Schöner Artikel! Die meisten der genannten Pflanzen findet man bei uns auch in der Nähe von Bahngleisen – wo die Erde eher trocken und karg ist. Ich bin als Gartenbau-Studentin da gerne mit dem Fahrrad hingefahren und habe Wildflanzen bestimmt und fand viele dieser Pflanzen auch sehr schön.
„.. auch wenn die Optik gemulchter Beete nicht immer den ästhetischen Vorstellungen traditioneller Gartenfreunde entspricht.“
Da musste ich echt schmunzeln, denn ich bin selbst auch ein Fan der Bodenbedeckung im Winter (Mulch oder Gründüngung) und als ich – auch in meiner Studentenzeit – das im bayerischen Dorf praktizierte, wurde das auch kritisch (aber auch freundlich) beobachtet. Aber man sah, dass es funktionierte. Weiterhin viel Spaß beim Garteln!!!
18. November 2011 um 07:23
Leider wird im Garten sehr gern die Sauberkeit der Wohnung versinnbildlicht, was aber entgegen jeder gärtnerischen Logik ist.
BG Harald
2. Dezember 2011 um 17:22
Da habt ihr aber einen wirklich schönen Garten. Ich persönlich mag es, wenn es nach Natur aussieht. Viele unserer Bekannten haben einen „geleckten“ Garten. Tödlich langweilig. Das ist mir zu künstlich.
5. Dezember 2011 um 11:38
das sieht odch einfach nur noch klasse aus!
10. Dezember 2011 um 14:49
Also ich finde so sterile Gärten nicht schön. Aber liebsten sind mir Gärten die etwas verwunschen sind. Wie die Alu Box sagt, ein Garten muss leben und nicht steril sein.
11. Dezember 2011 um 13:35
Hallo Frau Klinger,
ich teile Ihre Leidenschaft für den „wilden Garten“ Wir werden selbst im nächsten Jahr einen anlegen. Mal sehen wie lange es dauert bis er „wild geworden“ ist :-)
Auf dem ersten Bild sehe ich aber ganz wirklich eine moderne Gartenskulptur! Sie auch?
Na?
Die Giesskanne auf dem Rohr neben der Goldrutte. Sehr schön insziniert.
Hab ihren Blog gleich mal in meine Blogroll aufgenommen(garten-sonnenuhr.org)
12. Dezember 2011 um 11:52
ich bin der meinung, dass ein garten kein garten ist, wenn er nicht etwas aus der reihe tanzt. was bringt es einem, wenn der garten so sauber wie das wohnzimmer ist? ist es dann überhaupt noch ein garten? ein garten muss leben und das muss man ihm auch ansehen.
11. April 2012 um 19:32
Hallo allerseits,
bin gerade auf eure Seite gekommen – hab eigentlich nach was anderem gesucht.. gefällt mir. Leider habe ich ja noch nicht mal einen Balkon. Aber sowas wäre auch was für Urban Gardening – freie Flächen gibts in Berlin ja genug.
24. Mai 2015 um 07:56
Auch wenn die Optik gemulchter Beete nicht immer den ästhetischen Vorstellungen traditioneller Gartenfreunde entspricht.
Da musste ich echt schmunzeln, denn ich bin selbst auch ein Fan der Bodenbedeckung im Winter (Mulch oder Gründüngung) und als ich – auch in meiner Studentenzeit – das im bayerischen Dorf praktizierte, wurde das auch kritisch (aber auch freundlich) beobachtet.
16. Juni 2017 um 03:16
Goldrute=invasive pflanze,nicht einheimisch.hab die komplett entfernt
20. Juni 2017 um 10:59
@Anonymouse: so „ausländerfeindlich“ sind wir nicht. Was von selber wächst und gut aussieht, darf bleiben. In Maßen natürlich, die Ausbreitung bekämpfen wir durchaus!
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