Irgendwo am Stadtrand einen neuen Garten zu pachten, wäre vielleicht schön, aber kein Ersatz für das, was ich nach dem Verlust des „wilden Gartens“ vermisse. Denn nicht das Gärtnern hat mein Leben verändert, sondern das damit verbundene Draußen-sein: Jeden Tag, bei Sonne und Regen, Wärme und Kälte – und grade mal fünf Minuten von meiner Wohnung entfernt.
Seit das Wetter besser ist, spüre ich dieses Sehnen nach Erde und Grün, nach der Begegnung mit Pflanzen und Tieren, dem Geruch, den das alles bei Trockenheit und Nässe ausströmt – und nach der inneren Ruhe, die kommt, wenn man einfach nur da sitzt und all das beobachtet. Unsere „alten Bekannten“ vermisse ich besonders:
Also treibt es mich mittags raus auf die Suche nach der verlorenen Wildnis. Auf der anderen Seite des Platzes, an dem ich wohne, ist zum Beispiel ein brach liegendes Grundstück, das komplett sich selbst und dem wuchernden Spontangrün überlassen ist. Vor drei Jahre sollte da mal ein Recyclinghof hinkommen, bis jetzt hat sich aber nix getan.
Rechts ist ein kleines Wäldchen entstanden, wenn ich da rein trete, sehe ich definitiv nur noch grün:
Das ist nun noch nicht alles. Entlang an diesem Grundstück führt ein gepflasterter Weg quasi „ins Nichts“, bzw. Richtung Bahngelände, das dahinter liegt. Geht man durch den offen stehenden Bauzaun, der das Ende dieser Sackgasse markiert, eröffnet sich rechts ein weiterer Weg, der überhaupt nicht mehr benutzt wird – ja gar nicht mehr genutzt werden kann, denn sein Ende bricht einfach ab. Man steht „in luftiger Höhe“ an einem Abgrund, an dem es mehrere Meter steil in die Tiefe geht, definitiv nicht mehr begehbar. Und so sieht dieser Weg aus:
Es ist ein stilles Refugium mitten in der Stadt, in dem sich allerlei Vögel aufhalten. Die Mauer zur Linken trennt den Weg vom nächsten Grundstück. Wie man sieht, sind hier gelegentlich Graffiti-Sprayer am Werk, die an dieser Stelle nicht befürchten müssen, dass irgend jemand sie stört.
Eine „alte Bekannte“ hab‘ ich da auch gleich getroffen und abgelichtet:
Ich bin nicht zum ersten Mal hier. Seit es sonnig ist, besuche ich diesen Ort und genieße die unverhoffte Abgeschiedenheit und alles, was da grünt und wächst und zwitschert. Irgendwie ist der wilde Garten doch überall – man muss nur ein wenig suchen!
24. April 2008 um 18:10
Ja leider ist in Deutschland immer weniger Wildnis zu finden. Betoniert und geteert, wohin man sieht. Glücklich können die sein, die nicht in der Stadt wohnen.
24. April 2008 um 23:53
@Madeleine: Das hat aber nichts mit Schlankheitsmitteln zu tun, deshalb hab‘ ich den Link gelöscht.
25. April 2008 um 09:09
Wow, ein schöner Eintrag. Das Nachbargrundstück meiner Eltern war auch mal so überwuchert. Bis eines Tages jemand dieses Grundstück kaufte… inzwischen steht dort ein Reihenhaus mit drei Wohnungen (die gefühle maximal 10m breit sind), und raspelkurzgemähte Rasen als „Garten“ hinterm Haus. Echt schade, denn in der Wildnis vorher lebten sehr viele Tiere und Vögel.
25. April 2008 um 19:46
Och,
ich finde aber doch, dass es in Köln z.B. viel Grün gibt.
Im Gegensatz zu manch anderen Ländern achten wir noch sehr gründlich auf den Naturschutz in unserem Land und darüber hinaus.
26. April 2008 um 14:04
Und das ist gut so. Aber hab auch den Eindruck, dass sich viele Leute einfach nicht mit der Natur so auseinander setzen. So eine Wildnis hat immer etwas schönes. Nur sehen das viele nicht und wissen sowas nicht zu schätzen.
28. April 2008 um 02:47
Hallo Claudia,
der lila Frühblüher, den Du hier zeigst, ist eine Lunaria, im Deutschen ähnlich romantisch: Mondviole. Wenn Du an diesen wilden Platz später zurückkehrst, wirst Du sehen, warum sie meist Silberblatt genannt wird.
Mir selbst haben einige mir zunächst unbekannte Mondviolen Anfang April am Wegrand Rätsel aufgegeben – bis sie dann erblüten. Jetzt will ich natürlich den Zeitpunkt für den Samenfang nicht verpassen. Überhaupt ist es zunehmend schwerer geworden, die paar hundert Meter zum Einkaufen zu absolvieren… Was da alles wächst!
Ich lese gerne Eure Berichte von den Schönheiten am Wegesrand und im Euer gewesenen Garten. Einige tolle Pflanzen habe ich hier im Blog erst kennengelernt. So wünsche ich Euch und uns LeserInnen, dass Berlin Euren gartenlosen Seelen immer wieder eine wilde grüne Ecke schenkt, in der ihr etwas Gartenseeligkeit finden könnt.
28. April 2008 um 08:30
@Gretel: Danke für den informativen Kommentar und die guten Wünsche! Gewiss werde ich mir die Mondviole nach der Blüte wieder ansehen, bin gespannt!
6. August 2008 um 06:09
Später ist jetzt – will heissen: Die Lunarien-Samen könnten wohl ab sofort entnommen und an ihren neuen Bestimmungsort am E-Werk gebracht werden – wenn meine Ferndiagnose nicht trügt.
Dabei zart zwischen den Fingern die braunen Silberlinge reiben, wobei die zweite Hand darunter die Samen fängt. Grünliche Taler müssen noch warten! Schwarze sind bereits hinüber. Was im Idealfall stehen bleibt ist eine hübsche Skulptur. Und: Ein lieber Wildsaatdieb sammelt nicht mehr als ein Viertel des reifen Bestandes und verteilt noch ein wenig in der Gegend – ganz im Sinne der Pflanze. Im Übrigen empfiehlt sich für die sogenannte Handtaschenvermehrung – zwecks Bereicherung eines artenleeren Gartens – das Mitführen von Brottüten. (Gretel im Busch führt auch Handtaschen an sich nur zu diesem Zwecke mit). Für den Herren, also Matt verweise ich auf Karl Försters Rat, stets ein sauberes (!) Taschentuch zum feinen Stehlen mitzunehmen ;-)
Als Aussaatzeitraum für diese zweijährige Sorte (L. annua*) wird alles mögliche zwischen März und Juni angegeben. Da aber die wild-ausgesäten von selbst ungefähr jetzt in die Erde fallen, würde ich mal annehmen, dass für einen Wilden Gärtner genau dies der richtige Zeitpunkt ist. Je nachdem, wie die Lunaria dann lustig ist, keimt sie noch im Herbst, um dann im Frühling einen wilden Akzent zu setzen. Oder aber sie trödelt, bringt nur ihre zwei Herzchen-Blätter im Frühjahr und kommt erst im Jahr darauf zur Blüte.
Eigentlich mag es die Mondviole waldig wie im Bild – also Halbschatten und feucht – aber sie macht auch Kompromisse. Dass noch nicht klar ist, wo was hin soll, sollte Euch wilde Gärtner nicht abschrecken, schon mal zu säen. Für spontan zugeflogene Fundstücke und Geschenke empfehle ich, ein eigenes Beet zu haben. Da kann dann alles durcheinander und geschützt erst mal vor sich hin wachsen, auch wenn es später einmal dort oder gar keine „Beete“ geben soll. Bei mir heisst sowas NOTBEET – und es gibt schon mehr als eines davon.
Noch etwas, was ich selbst stets wieder versäume: Namentlich eddiNgtierte Steine und Scherben verhindern doppelte Pflanzungen an gleicher Stelle – also ungewolltes auspflanzen beim einpflanzen. Gerade bei Trödelpflanzen nicht ganz unbedeutend…
* Es gibt auch ein Mehrjähriges Silberblatt – Lunaria rediviva – das im Gegensatz zur o.g. jährlich Asylsuchenden L. annua heimisch ist, und sogar duftet! ‚Mondviolen‘ nennt man auch die nachts betörenden Hesperiden, wieder was anderes, aber ebenso schön, und zum Verwechseln ähnlich (v.a. Hesperis matronalis) !