Na gut, EWIG leben die Pflanzen auch nicht, doch wer z.B. einen Magnolienstrauch pflanzt, denkt durchaus an dessen Aufwachsen über ein paar Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Jedes Aussähen irgendwelcher Samen wirkt unsinnig, wenn man nicht damit rechnet, zumindet eine Vegetationsperiode zu erleben – ein Garten zwingt geradezu zum langfristigen Denken und in die Zukunft schauen.
Vom Start weg war und ist das im „wilden Garten“ nicht ohne weiteres möglich: 14 Tage Kündigungsfrist stehen im Pachtvertrag. Wenn die Eigentümer beschließen, da ein Haus zu bauen, haben wir 14 Tage Zeit für die Räumung und keinerlei Ansprüche auf irgend eine Entschädigung. Ein Deal, auf den wir uns eingelassen haben, denn die kurze Kündigungsfrist war Bedingung für die Übernahme. Im Gegenzug entstehen uns dafür kaum Kosten für die Nutzung und haben das Glück, nicht inmitten einer „Kolonie“ zu sitzen, in der uns die Nachbarn und die Vorschriften ansagen, wie wir zu gärtnern haben.
Der Vorbesitzer des Gartens hat mit diesem Vertrag 13 Jahre gelebt und gegärtnert. Eine lange Zeit, doch konnte er nie wirklich darauf zählen, dass das, was er heute pflanzt, nicht in drei Wochen weggebaggert wird.
Genießen ohne Versicherung
Diese Rahmenbedingungen sind im Grunde nicht anders als es das Leben insgesamt ist: Morgen kann mich ein Auto überfahren, dann ist auch alles vorbei. Und alles, woran wir sehr hängen, verursacht Leiden, wenn es uns genommen wird – je mehr emotionale Bindung, desto größer der Verlust, wenn er denn eintritt.
„So lasst uns denn ein Apfelbäumchen planzen“ titelte einst Hoimar von Dittfurt eines seiner Bücher, das u.a. davon handelte, dass ja jederzeit die Welt untergehen kann – wenn z.B. ein Atomkrieg ausbricht oder uns ein Meteor trifft. Die Vorausschau in die Zukunft können und wollen wir sinnvollerweise nicht abstellen, doch „auf die Zukunft bauen“ können wir nicht, so gerne wir uns das auch einbilden.
Für mich ist die Vertragssituation rund um den „wilden Garten“ ein Anlass, eine philosophisch gelassene Haltung der Hingabe einzuüben: ich setze die Pflanzen, gieße die Gewächse, unterstütze das Wachsen – und weiß doch nicht, ob dies alles nicht morgen vorbei sein wird. Es trotzdem tun, ohne irgend eine „Versicherung“ in Richtung Zukunft, konzentriert mich darauf, die Freude im Jetzt, also hier und heute, in diesem Augenblick zu suchen und zu finden. Jeder Tag und jede Stunde Arbeit im Garten muß den Lohn in sich selbst tragen – und wenn man es „im Ganzen“ betrachtet, dann ist das auch so! Denn auch das Sieben des Komposts (eine anstrengende Arbeit über Stunden, die glatt für die Katz ist, wenn mit dem Kompost nichts weiter passiert), gibt mir viel, während ich sie ausführe: ich bewege mich an frischer Luft, strenge mich körperlich an (Fitness-Training!) und bin hinterher „rechtschaffen müde“, wie es eine Arbeit am Monitor niemals zustande bringt.
Vor der Gefahr, wie die Irren zu malochen, damit alles eine „ordentliche Form“ bekommt, beschützt uns die nicht vorhandene Sicherheit im Spekulieren auf die Zukunft nebenbei ganz effektiv: Ein Garten, der morgen schon weg sein kann, ist nur als „Garten für Faule“ mit Genuss und Freude zu betreiben!
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